Bahnhof Erdorf Freitag nachmittag, kurz vor halb vier. Der
Zug Richtung Trier geht um 15:41, ich muss noch eine Fahrkarte nach Nassau/
Lahn ziehen, und am Automat steht eine junge Frau und betätigt die vielfältigen
Informationsbuttons. Auf dem Bahnsteig ein paar Wartende: Ein mitteljunger Mann
im Handwerkerdrillich, ein mittelalter Schüler mit Trolleykoffer, eine ältere
Dame ins Ratschen vertieft mit einem älteren Herrn. Die junge Frau findet im
Automaten, was sie gesucht hat, eine Fahrkarte fällt in den Ausgabeschacht. Die
junge Frau sucht nach Informationen zu Anschlussverbindungen.
Als sie denn fertig ist, es ist inzwischen 15:34, kann ich
das Fahrkartenausgabe- und Reiseinformationsgerät in weniger als einer Minute
überzeugen, mir eine Fahrkarte zum gewünschten Ziel auszudrucken, 31 Euro zu
schlucken und eine 10-Cent-Münze zurück zu geben. Mir fällt ein, dass ich in
meiner Schultasche, die im geparkten Auto wartet, eine
Zugverbindungsinformation vergessen habe, die mir beim Umsteigen in Ehrang und
Koblenz von Nutzen sein kann. Es sind noch fünf Minuten bis zur fahrplanmäßigen
Abfahrt, ein kalkulierbares Risiko, und ich finde die Blätter auch nach wenigem
Suchen.
Im Zurückgehen sehe ich das Plakat „Rheinland-Pfalz-Ticket
23 Euro“ und stelle fest, dass ich für den Zielaufdruck auf der Karte 7,90 Euro
bezahlt habe. Ich werde die Karte fortan als wertvolles Souvenir behandeln und
mich daran erfreuen. Sie konserviert eine Erfahrung, die ich bei dem schlichten
Aufdruck „Rheinland-Pfalz-Ticket 24.01.2014, gültig bis 3 Uhr des folgenden
Tages auf allen Linien in Rheinland Pfalz (und dem Saarland)“ in zehn Jahren
gewiss nicht als Erinnerung abrufen könnte, zumal ich sie ja garnicht erst
aufheben würde.
Um 15:41 senken sich die Schranken an der Erdorfer
Hauptstraße, der Zug lässt sich noch ein wenig Zeit, kommt, wir Wartenden
steigen ein, haben eine fast freie Sitzplatzwahl, ich setze mich, die ältere
Dame vom Bahnsteig betritt den Waggon, sortiert sich, guckt um sich, fragt
mich, ob das hier 2. Klasse, sonst müsse sie nämlich woanders, der Zug fährt
ab, ein Schaffner mit Zopf kommt,
„Zug'die'ne die Fa'katnbte“, die ältere Dame vom Bahnsteig bestellt eine
Fahrkarte nach Ehrang. Schräg hinter dem Schaffner schreit in doppelter
Ausfertigung ein Schild, dass hier nur zutreten darf, wer im Besitz eines
gültigen Fahrausweises ist, sonst teuer.
Der Schaffner, freundlich, vermittelt ihr das Gleiche in
gesprochenem Wort.
Der Antwortton changiert zwischen beflissen, betroffen und
ansprucherhaltend: Ja, Nein, Sie habe da, sie wolle jetzt hier die Fahrkarte nach Ehrang kaufen, ja,
der Automat, das ging nicht.
Der Schaffner hakt ein: Der Automat war defekt? -Ja also,
der Automat, das ging nicht, wissen Sie (sie hält die Linke hoch, die fest
verbunden ist), ich kann ja auch nicht, wissen Sie,...
Der Schaffner weiß nicht.
Das Gespräch mäandert um Pflichten, Unmöglichkeiten,
Nachweise, Besuche am Grab der jüngst verstorbenen Tante und schmerzende Beine,
die vor Automaten ihren Dienst versagen, um erhöhte Fahrpreise, um 50 Euro und
um Ausnahmsweise.
Kurz, man kommt ins Geschäft, und die ältere Dame wird
dankbar: Ob es denn jetzt als Bestechung aufgefasst werden könnte, wenn sie dem
Schaffner nun als Dankeschön ein Trinkgeld gebe. Der Schaffner überhört das
geflissentlich, stellt den Fahrausweis aus, kassiert das im Zug zu zahlende
Beförderungsgeld-wegen-defektem-Fahrkartenausgabeautomaten und schickt noch
nach, dass er das macht, weil er das machen möchte, und nicht, weil er dafür
etwas, und überhaupt, wenn sie dafür etwas und wenn sie mal nach Köln komme, er
trinke den Kaffee schwarz.
Da trumpft sie aber auf: Ja nein, das machen wir aber ganz
anders, weil, da kommen Sie nämlich den Kaffee trinken in Erdorf, gleich am
Bahnhof, da bin ich nämlich Kellnerin, und da mache ich Ihnen dann einen
Kaffee, aber Hallo!
Umsteigen in Ehrang.
Fast zwei Stunden Fahrzeit nach Koblenz.